Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.
(Johann Wolfgang von Goethe)
{mosimage} Nomenklaturkader, Stasispitzel und Führungskader der PDS Lothar Bisky
Über die DDR-Nomenklatura
Nomenklatura - die privilegierte Klasse
Die Begriffe „Nomenklatura“ (als Gesamtheit der Funktionäre) bzw. „Nomenklaturkader“ entstammen dem SED-Sprachgebrauch für Führungskräfte aller Art. Die Bezeichnung lässt darauf schließen, dass Führungs- und Einflusspositionen nur mit Personen besetzt wurden, die in der entsprechenden Nomenklatur als linientreu und parteiergeben gelistet waren.
Derartige Privilegiertengruppen sind keine Erfindung des Kommunismus; sie gedeihen hier aber besonders gut: Schon Leo Trotzki sprach 1930 im Asyl davon, dass es in Russland eine „neue Bourgeoisie“ gibt (in: „Die wirkliche Lage in Russland“ 1930, eine Schrift, die bei der Bücherverbrennung 1933 in Deutschland auch mit ins Feuer ging), und der Montenegriner Milovan Djilas hat der Pervertierung des Gleichheitsgedankens im Jugoslawien Josip Broz Titos mit seinem Buch „Die Neue Klasse“ (deutsch 1958) ein Denkmal gesetzt. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde das ganze Ausmaß der neuen Klassengesellschaft und des kommunistischen Spitzelstaates deutlich, dieser fein verwobenen Mischung aus Privilegien und Angst, aus erkaufter und erzwungener Zustimmung. Der Untergang der sozialistischen Staaten Osteuropas war nicht zuletzt eine Folge dieses maßlosen Widerspruchs zwischen Ideologie und Wirklichkeit, von den auf Papier gewährten Grundrechten und subjektiver Ohnmacht des einfachen Bürgers.
Als Folge dieser sozialistischen Klassengesellschaft erhielt der Begriff „Nomenklatura“ zunehmend auch einen bitteren, ablehnenden Unterton und stand dann für Apparatschik und Bonzenstaat. Seit Ende der kommunistischen Diktaturen beschränkt sich der Sprachgebrauch weitgehend auf diese Bedeutung.
Der Begriff steht für die Führungskader der Sowjetunion. Die Nomenklatura bestand ausschließlich aus KPdSU-Mitgliedern, die von einer gewissen „mittleren“ Einfluss- bzw. Leitungsebene an aufwärts tätig waren. Sie war im Prinzip die Elite der Sowjetunion, die über ausnahmslos alle Bereiche des Landes und seiner Bevölkerung unumschränkt herrschte.
Nomenklatura der DDR
Die verschiedenen SED-Führungen (Politbüro, Zentralkomitee, Bezirksleitungen usw.) und die Ministerien der DDR schufen ein System von Nomenklaturkadern nach sowjetischem Vorbild, die mit linientreuen, der Parteidisziplin besonders ergebenen, besonders geschulten (Parteischule) Parteimitgliedern besetzt wurden. Es gab eine genaue Nomenklaturkaderverordnung, in der die wichtigen Leitungspositionen (mehrere hundert) in der DDR erfasst waren. Vor der Berufung in eine solche Position (1. Sekretäre der SED-Kreis- und Bezirksleitungen, Generaldirektoren der Kombinate, Minister, Staatssekretäre, Rektoren, Direktoren wichtiger Institute, Führungspersonen in den Medien usw.) musste diese Personalvorlage erst durch das ZK der SED, das heißt die entsprechende Abteilung im ZK, formal bestätigt werden. Ziel war, eine möglichst lückenlose Kontrolle des öffentlichen Lebens zu erreichen. In einem solchen System konnten die Führungspositionen mit wenigen Ausnahmen nur von linientreuen SED-Mitgliedern besetzt werden. Dies schloss aber eine hohe fachliche Qualifikation keinesfalls aus, da viele Menschen lediglich aus Karrieregründen Parteimitglieder, „Genossen“, wurden. Um eine Position als sozialistischer Leiter zu erreichen, musste sich der Nomenklaturkader-Kandidat zuvor in untergeordneten Leitungsfunktionen als geeignet erweisen und sich politisch bewähren. Außerdem war in späteren Jahren für derartige Positionen laut Stellenplan, korrekt „Kaderentwicklungsplan“, ein Hochschulstudium (möglichst mit Promotion) unabdingbar, ergänzt durch den Besuch der der Leitungsebene entsprechenden Parteischule, wie Bezirksparteischule und/oder Parteihochschule der SED. Seit den 1970er Jahren erwuchsen aus den Familien der ursprünglichen Nomenklaturkader immer häufiger regelrechte Nomenklaturkader-„Dynastien“.
Mitglieder der Nomenklatura
Nach seriösen Schätzungen lag die Anzahl der Nomenklaturkader in der DDR Ende der 80er Jahre bei ca. 339.000 Personen. Damit kommt auf etwa 50 DDR-Bürger ein Nomenklaturkader, was die Machtstruktur und den beherrschenden Einfluss der SED auf die Gesellschaft unterstreicht.
* Alle Mitglieder des SED-Politbüros, des ZK der SED, der Bezirksleitungen der SED * alle hauptamtlich Angestellten der SED außer Büro- und Hauspersonal, alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter von SED-Instituten und -institutionen außer Büro- und Hauspersonal * alle Mitglieder der zentralen Vorstände der anderen Blockparteien CDU, LDPD, NDPD, Bauernpartei (DBD); alle Mitglieder ihrer Bezirksvorstände, die hauptamtlichen Angestellten dieser Parteien außer Büro- und Hauspersonal, alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter von Instituten und Institutionen dieser Parteien außer Büro- und Hauspersonal * alle Mitglieder der zentralen Vorstände der Massenorganisationen wie FDGB, FDJ, DSF, DFD, GST usw., alle Mitglieder der Bezirksvorstände der DDR-Massenorganisationen, die hauptamtlichen Angestellten dieser Massenorganisationen außer Büro- und Hauspersonal, alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter von Instituten und Institutionen der DDR-Massenorganisationen außer Büro- und Hauspersonal * alle Mitglieder der Volkskammer, der Bezirkstage, alle leitenden hauptamtlichen Mitarbeiter der Volkskammer und der Bezirkstage * alle Mitglieder des Staatsrates der DDR, des Ministerrates der DDR und der Räte der Bezirke; alle leitenden Mitarbeiter des Staatsrates, des Ministerrates, der Ministerien, der Räte der Bezirke, die leitenden Mitarbeiter von Instituten und Institutionen des Staatsrates, des Ministerrates und der Ministerien * alle hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS außer Büro- und Hauspersonal, die wichtigen ehrenamtlichen Mitarbeiter des MfS, alle leitenden Mitarbeiter der Volkspolizei im Offiziersrang (ab Major aufwärts), alle leitenden haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Betriebskampfgruppen im Offiziersrang, alle Offiziere der NVA (ab Major aufwärts) * das gesamte leitende Personal von Universitäten, Hochschulen, Instituten und Bildungseinrichtungen, die leitenden Mitarbeiter im Schulwesen (ab Schulleiter aufwärts), das leitende Personal im Gesundheitswesen * alle Betriebsdirektoren und das leitende Personal von Großbetrieben * alle, die in Fach- und ähnlichen Verbänden leitende Funktionen bekleideten * alle, die mit hohen Auszeichnungen bedacht wurden. |