Redebeitrag von Horst Schüler (Vorsitzender der UOKG) am 1. Juni 2002 in Leipzig Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft hat seit Januar einen neuen Vorstand, dessen Vorsitzender ich bin. Ein neuer Vorstand hat gemeinhin auch neue Ziele. Die wichtigsten möchte ich Ihnen hier nennen, vor allem aber bitte ich auch um Ihre Unterstützung bei ihrer Durchsetzung. Wir wollen endlich unserer Rolle gerecht werden, die sich schon aus unserem Namen ergibt, nämlich: Wir wollen der Dachverband für möglichst alle Organisationen und Initiativen sein, in denen Frauen und Männer vereint sind, die in den Gefängnissen und Lager der Kommunisten litten. Wir werben aber auch um die Initiativen, die sich der sogenannten Aufarbeitung der SED-Diktatur widmen. Das ist unser wichtigstes Ziel. Im Lauf der Jahre haben wir uns leider in viele Gemeinschaften zersplittert. Damit müssen wir uns wohl abfinden. Wir wollen auch nicht die Autonomie und die Selbständigkeit der einzelnen Verbände in Frage stellen. Dennoch sollte es doch im Interesse aller liegen, unsere Politik, unsere Forderungen und Aufgaben miteinander abzustimmen, um sie dann mit der gemeinsamen Kraft aller Verbände durchzusetzen. Das aber können wir nur, wenn wir uns in einer Dachorganisation vereinen. Ich stehe sicher nicht allein mit der Meinung, dass unsere Zersplitterung einer der wichtigsten Gründe dafür ist, dass wir in den Parteien, vor allem aber auch von den wichtien Medien kaum wahrgenommen werden. Wenn schon überhaupt einmal etwa in einer der ungezählten Talk-Runden des Fernsehens über die SED-Diktatur gesprochen wird, vielleicht sogar über ihre Opfer, dann sitzen und reden da nicht etwa wir, die Vertreter der Opfer, nein, dann reden irgend welche Historiker, Parteivertreter oder Journalisten über unsere Köpfe hinweg, meist, ohne die geringste Ahnung von den wirklichen Problemen der Opfer des Kommunismus zu haben. Deshalb mein dringender Appell an die Vertreter aller hier versammelten Organisationen: Werdet Mitglied in der UOKG! Steht nicht länger abseits! Lasst uns unsere Forderungen, die sich ja von Verband zu Verband kaum unterscheiden, mit einer Stimme vortragen. Die wird dann auch laut genug sein, um nicht überhört zu werden. Und erschöpft vor allem auch eure Kräfte nicht in manchmal geradezu grotesken Streitereien untereinander, wie etwa jetzt um den sogenannten Grotewohl-Express. Spart diese Kräfte besser für unseren Kampf gegen den politischen Gegner auf, den viele von uns bereits für tot hielten und dessen Renaissance wir gerade in den letzten Monaten betroffen erlebten. Die meisten unserer Organisationen sind überaltert. Bei den von der Sowjetunion Repressierten erklärt sich das einfach aus der Tatsache, dass die Verfolgungen des KGB gegen seine deutschen politischen Gegner etwa 1953 aufhörten und dem Ministerium für Staatssicherheit übertragen wurden. Doch die endeten ja bekanntlich erst 1989. Soll heißen: Es gibt viele tausend Frauen und Männer, die aus politischen Gründen erst in den 60er, 70er und 80er Jahren in Bautzen landeten, in Hoheneck oder in einer der anderen berüchtigten DDR-Haftanstalten. Die meisten von ihnen haben den Weg in die Verfolgtenverbände nicht gefunden. Zwar beklagen sie oft die unzureichende Entschädigung, doch sich in den Gemeinschaften für eine bessere einzusetzen, das überlassen sie gern anderen. Wir müssen also dringend jüngere Kräfte für uns gewinnen. Ich weiss, dass ist ein mühseliges Unterfangen, ich weiss jedoch auch, das von seinem Gelingen oder Nichtgelingen das Überleben aller unserer Organisationen abhängt. Lasst uns also gemeinsam neue Wege suchen, wie wir die Frauen und Männer für Mitgliedschaft und Mitarbeit bei uns interessieren, die noch nicht im Rentenalter stehen, wie die meisten von uns. Wir überlegen in der UOKG, ob wir uns nicht allzu oft als "Opfer" bezeichnen. Opfer – weckt dieser Name nicht gemeinhin nur Mitleid? Vor allem aber macht er nicht deutlich, dass wir Widerstand geleistet haben. Widerstand gegen ein menschenverachtendes System, auf den wir stolz sein dürfen. Und ich meine schon, dass wir diesen Stolz ruhig sehr viel deutlicher vor uns her tragen sollen, etwa auch im Namen der Verbände und Organisationen. Wir stehen vor einer Bundestagswahl, vielleicht der wichtigsten der letzten Jahrzehnte. Der Vorstand der UOKG hat an den Bundeskanzler, an seinen Herausforderer und an die Vorsizenden aller demokratischen Parteien geschrieben. In unseren Briefen sind die wichtigsten Forderungen der Verfolgtenverbände aufgelistet, die auch in den beigelegten Wahlprüfsteinen genannt werden: - Die gesetzliche Sicherung einer Ehrenpension.
- Die von den Versorgungsämtern zu leistende Anerkennung psychischer Haftschäden, ohne jede Beweislast.
- Endlich auch eine Entschädigung für all die Frauen und Männer, die in den letzten Monaten des Krieges und unmittelbar danach unschuldig und ohne jedes Urteil verfolgt und meist für Jahre in die Arbeitslager der Sowjetunion verschleppt wurden.
- Die Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes in der Form, die den Opfern gerecht wird und nicht etwa den Tätern.
Die Ehrenpension wird von uns mit monatlich 700 Euro beziffert. Dabei richten wir uns nach der Zahlung, die Opfer des Faschismus in den neuen Bundesländern erhalten. Ob es uns gelingt, dieses Ziel durchzusetzen, wissen wir nicht, auf jeden Fall aber betrachten wir unsere Forderung als einen Ausdruck der so oft versprochenen Gleichbehandlung der Opfer beider Diktaturen in Deutschland. Diese Gleichbehandlung auch im gesellschaftlichen Leben ist für uns zumindest so wichtig wie die vorhin genannten materiellen Forderungen. Wir wollen es nicht länger schweigend hinnehmen, dass in unserer Gesellschft nur der Kampf gegen Rechtsextremisten geführt wird – wobei wir den für richtig halten und uns an ihm auch selbst mit aller Kraft beteiligen. Ich sage dies ausdrücklich, um nicht missverstanden zu werden. Aber gerade weil wir gegen politische Extremisten sind, deshalb fordern wir von den Parteien, den Medien und der übrigen Öffentlichkeit auch gleiche Aufmerksamkeit für Linksextremisten wie für Rechtsextremisten. Erst am 1. Mai haben wir ja in Berlin die zerstörerische Kraft der Linksextremisten wieder erlebt. In diesem Zusammenhang fordern wir die Kultusminister der Länder auf, dafür zu sorgen, dass auch die terroristische Geschichte des Kommunismus im Unterrichtsplan der Schulen ihren Platz findet. Bleibt die Frage, wie wir uns im Wahlkampf verhalten. Sollen wir Partei ergreifen und unsere Mitglieder zu einer bestimmten Wahlentscheidung auffordern? Ich denke, wir sollten das nicht tun. Was die Parteien für uns Verfolgte des Kommunismus tun wollen, das finden wir in ihren Wahlprogrammen. So z. B. wird die Ehrenpension von der Union, aber auch in anderer Form von den Freien Demokraten gefordert. Diese Fakten sprechen für sich, sie sprechen für jeden eine so deutliche Sprache, dass es keiner Wahlempfehlung bedarf. Vor einer solchen warne ich auch deshalb, weil wir ja nicht ohne Grund stets unsere Überparteilichkeit betont haben, weil unter uns Anhänger und Mitglieder aller demokratischen Parteien sind. Und wenn uns auch die Bündnispolitik der SPD völlig unverständlich scheint, wenn sie so manchen Sozialdemokraten, der gegen die Kommunisten gekämpft und in ihren Gefängnissen gelitten hat, die Schamröte ins Gesicht treibt – so ist es dennoch möglich, dass diese alte demokratische Partei eines nicht mehr fernen Tages zu den eigentlichen Wurzeln ihrer Politik zurückfinden wird. Ich jedenfalls bin optimistisch genug, dies zu hoffen. Bei einer Wahlempfehlung wäre die Gefahr einer weiteren Zersplitterung unserer Verbände sehr gross. Die dann aufgerissene Kluft aber könnte vermutlich nicht mehr überbrückt werden. Abschliessend zur Kenntnis: Auch die UOKG hat sich den Anforderungen unserer Computerwelt nicht mehr verschliessen können. Seit kurzen sind wir mit einer eigenen Hompage im Internet unter www.uokg.de zu finden, ebenfalls eine ausführliche Darstellung aller der UOKG angeschlossenen Verbände. Ich bedanke mich für die mir geschenkte Aufmerksamkeit. . |